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2010:

ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 1

ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 1

Marina Kaltenegger - Paul Mitchell
Der Stadthof des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz im Wienerwald ist in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit unter den Wiener Klosterhöfen. Seit dem Hochmittelalter ist er in ununterbrochenem Besitz des Klosters, bis vor einigen Jahren war sogar noch ein Konventuale als Hofmeister für die Verwaltungsbelange zuständig und dort wohnhaft. Die Größe des Hofes und seine Lage im direkten Anschluss an die im Hochmittelalter entstandene Bäckerstraßen-Siedlung außerhalb der ältesten Stadtmauer weisen auf die frühe Entstehung des Hofes hin (1). Der langgezogene Hofkomplex, sowohl von der Schönlatern-, als auch von der Grashofgasse her zu betreten, besticht heute durch die Großzügigkeit der Anlage in viergeschossigen Trakten, die Einheitlichkeit der Bauten durch die Fassadierung im josephinischen Plattenstil, vor allem aber durch die Weite des unverbauten Hofareals (Abb. 439 Der Heiligenkreuzerhof von Osten zur Grashofgasse hin).

Die Generalsanierung der Heiligenkreuzer-Hofkapelle ergab im März 2001 die Gelegenheit zu archäologischen Untersuchungen, da das Erdreich als Maßnahme zur Entfeuchtung des Innenraumes 50cm tief abgetragen werden musste. Ab Februar 2002 untersuchten die Verfasser im Rahmen des Projektes "Historischer Baubestand in den Kellern der Wiener Innenstadt" die Kellerräume unter dem Binderhof, welche in nächster Zeit für Ausstellungszwecke genutzt werden sollen, und auch die übrigen Kelleranlagen des Hofes (2).

FORSCHUNGSGESCHICHTE

Im Jahre 1919 veröffentlichte Friedrich Reischl sein Werk über die Wiener Prälatenhöfe (3), in dem er auch dem Heiligenkreuzerhof breiten Raum widmete. Auf Basis der 1895 erschienenen Quellen zur Geschichte der Stadt Wien (4) berichtet er ausführlich und ausschweifend, im Stil eher anekdotenhaft aber amüsant aus der jahrhundertelangen Geschichte des Hofes.
In den Blickpunkt der Baugeschichtsforschung geriet der Heiligenkreuzerhof durch die Untersuchungen von Alois Kieslinger, dem als Hofbewohner die Baulichkeiten vertraut waren und der die Renovierungsarbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg aufmerksam verfolgte. Er erkannte die mittelalterliche Bausubstanz im Bereich des Binderhofes und initiierte eine Vermessung der ausgedehnten Kelleranlagen. Die von ihm veröffentlichte Studie (5) ist ein frühes Beispiel exakter bauhistorischer Forschungsarbeit, das in Wien allerdings jahrzehntelang ohne Nachfolge blieb.
Die Entdeckungen Kieslingers warfen Fragen zur Frühgeschichte des Wiener Hofes auf, denen der Heiligenkreuzer Archivar P. Hermann Watzl in seiner sorgfältigen Art nachging (6).

EINFÜHRENDE BEMERKUNGEN ZU DEN GEBÄUDEN DES HOFES

Wann und auf welche Weise das Gelände, auf dem der Stiftshof angelegt wurde, in den Besitz des Klosters Heiligenkreuz gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Dies hatte Abt Clemens Schäffer (1658-1693) bereits 1671 vermerkt, und daran hat sich trotz der akribischen Forschungen von Richard Perger (7) und vor allem von P. Hermann Watzl (8) nichts geändert. Ungewöhnlich ist dies allerdings besonders für sehr früh entstandene Hofanlagen nicht.

1242 ist das Stift jedenfalls in gesichertem Besitz eines Wiener Hofes (9), der wohl mit dem bestehenden Hof identisch ist. Die Größe des Besitzes hat daran denken lassen, dass er aus mehreren Einheiten zusammengewachsen ist, wofür es ebenfalls keine Belege gibt. Lediglich die unterschiedlichen Bezeichnungen einzelner Hofbereiche könnten ein Hinweis darauf sein. Im 14. Jahrhunderts werden erstmals Grashof und Ziegelhof in Urkunden genannt (10). Im Heiligenkreuzer Urbar von 1388 werden "curia graminum" (Grashof) und "curia laterum" (Ziegelhof) gesondert aufgeführt (11).

1438 nennt das Wiener Urbar den "Tziegelhoff", "vnser haws gelegen dem Tziegelhaws uber", den "hoff genant der Grashoff", "den hindern keller vnder dem chasten", "den hindern chasten", "den cheller pey dem voderen toer" (12).

Der Grashof lag - wie noch die heutige Grashofgasse belegt - im Westen des Hofes, der Ziegelhof im Osten. Die Ausdehnung des Ziegelhofes ist unsicher, er wurde einerseits in der NO-Ecke, dem späteren Binderhof lokalisiert, einige Quellen deuten darauf hin, dass auch der Bereich der späteren Prälatur zumindest in älterer Zeit dazugehörte oder möglicherweise von außenstehenden Personen in diese Bezeichnung einbezogen wurde. Eindeutig ist in jedem Fall seine Lage im Ostteil des Hofes. Die beiden Häuser oder Hofteile wurden ab dem 14. Jahrhundert als Leibgedinge vergeben und scheinen daher in den Urbaren und in urkundlichen Quellen auf.
Auch Abt Clemens Schäffer berichtet, dass der stiftliche Freihof in Wien aus zwei Häusern, nämlich Graßhof und Ziegelhof bestehe (13). Nun ist nicht anzunehmen, dass dieser selbstbewusste Barockabt den Bereich "seiner" Prälatur im Süden des Hofes einem dieser Häuser zuordnete. Es ist in dem Sinne zu verstehen, dass er den selbstverständlichen Teil, das eigentliche Hauptgebäude (14) - die Baulichkeiten für die Verwaltung und die Angehörigen des Klosters - überging, da diese nicht extra erwähnt werden mussten. Dies ist wohl auch auf frühere Zeiten umzulegen.
Die Vogelschauansicht von Wien des Jacob Hoefnagel von 1609 (Abb. 440 Detail aus der Vogelschauansicht von Wien des Jacob Hoefnagel von 1609, Kolorierter Kupferstich mit Goldauflage aus dem Atlas Blaeu-Van der Hem Bd. 25, Tafel 44/I (Faksimile des Exemplars in der Österreichischen Nationalbibliothek, Kartensammlung)) zeigt einen ungemein imposanten mehrgeschossigen Monumentalbau mit Mittelrisalit und vorspringendem Westtrakt, welche beide durch eine niedrige Mauer mit sichtbarem Durchgang verbunden sind und damit einen kleinen Innenhof von der nördlichen Hoffläche abtrennen. Die Situation entspricht in etwa der Bebauung auf dem Stadtplan des Bonifaz Wolmuet von 1547 (15) (Abb. 441 Detail aus dem Stadtplan des Bonifaz Wolmuet von 1547).
Es sind dies die beiden einzigen Planquellen, die den Hof vor der 1659 begonnenen barocken Umgestaltung zeigen.

Im Folgenden soll die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Hofteile - Grashof, Ziegel- bzw. Binderhof und des eigentlichen Hofgebäudes, der späteren Prälatur - nachvollzogen werden, soweit dies derzeit möglich ist. Dabei wird den Baulichkeiten um den Binderhof besonderer Raum gegeben, da hier die älteste Bausubstanz in den ausgedehnten Kelleranlagen noch besteht und eingehend erforscht wurde. Einen weiterer Schwerpunkt bildet die Kapelle, in der auch neue Befunde zum Vorgängerbau des Prälaturtraktes gewonnen werden konnten.
Marina Kaltenegger - Paul Mitchell, OR, 26.9.2010
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Offenlegung:

  • Oliver Riebenbauer, Wien