ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 5
ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 5
DAS ALTE HAUPTGEBÄUDE - DER MITTELALTERLICHE KERN DER PRÄLATUR
Zum Hauptgebäude im Süden des Hofes fehlen Schriftquellen fast vollständig. Sein Vorhandensein im Mittelalter kann jedoch nicht nur e silentio erschlossen werden. Zum einen belegt der bei Wolmuet 1547 (siehe Abb. 441) und auf Hoefnagels Vogelschau 1609 (siehe Abb. 440) verzeichnete Monumentalbau, dass bereits vor dem barocken Ausbau ein umfangreicher Baukomplex entlang der Südfront bestand, der sich vermutlich im Laufe des Mittelalters herausgebildet hatte. Andererseits gibt es altbekannte und neugewonnene Baubefunde, die Aussagen zum Alter der Bauanlage zulassen.Der Keller unter der Prälatur
Unter dem heutigen Eingang in die Prälatur wurde mit der Errichtung des barocken Treppenhauses ein Keller neu geschaffen, in dem das Bruchsteinmauerwerk eines Vorgängerbaues sichtbar geblieben ist (Abb. 460 Grundrissplan des 1. Untergeschosses ("Obere Keller") von L. Schöltzel 1839). Der älteste Bestand ist der Westteil der Südwand, die gleichzeitig Umfassungsmauer des Stiftshofgeländes ist. Die meist flachen Bruchsteine halten einzelne Lagen für bis zu 2m ein und sind überwiegend als opus spicatum verlegt. Bei 11,99m über Wiener Null oder rund 1m unter dem Niveau des Prälaturhofes deuten zwei vorspringende Lagen die Oberkante des Fundaments und das damalige Bodenniveau an (Abb. 461).An diese Mauer ist die Westwand in einer zweiten Phase angebaut worden. Sie besteht aus eher blockhaften Bruchsteinen in einzelnen Lagen, die immer wieder abgeglichen werden mussten, oder mit einer zweiten Lage zusammengefasst sind. Auch hier ist der Übergang zwischen Fundament und aufgehendem Mauerwerk deutlich und zwar bei 11,86m über Wiener Null. Im Süden der Wand geht eine neuzeitliche Türöffnung eventuell auf ein mittelalterliches Portal zurück. Die stark umgebaute Nordwand ist mit der Westwand verzahnt, eine steinerne Ostwand fehlt.
Diese Befunde lassen sich einfach interpretieren. Zuerst wurde eine Mauer errichtet, die eventuell als die Umgrenzungsmauer des Stiftshofes anzusprechen ist. Nicht viel später, das zeigt die ähnliche Mauerstruktur, wurde gegen diese Wand ein rechteckiges Gebäude mit 6,78m lichter Breite und mindestens 3,5m lichter Länge errichtet, das nicht unterkellert war und den Kern des heutigen Prälaturtraktes bildet.
Dem Mauerwerk nach datieren beide Phasen am ehesten in das mittlere 13. Jahrhundert. In Zweifelsfall ist wohl Bau A im Binderhof der ältere Kern. Kieslinger datierte die Mauern unter der Prälatur in das 12. Jahrhundert (74). Diese Datierung beruhte auf der mittlerweile revidierten Annahme, dass opus spicatum ein Zeichen von hohem Alter sei und nach 1200 nicht mehr vorkomme (75).
DIE KAPELLE IM HEILIGENKREUZERHOF
Die barocke Hofkapelle liegt an der Südseite des Hofes direkt neben dem Eingang aus der Schönlaterngasse und im direkten Anschluss an die Prälatur (Abb. 462 Aufriss von Kapelle und Prälatur, Schnittplan AB von L. Schöltzel 1839). Sie war im Zuge der umfassenden Erneuerung der Baulichkeiten des Heiligenkreuzerhofes, die Abt Clemens Schäffer in den Jahren 1658-1677 durchführen ließ, neu gebaut worden. In seinem "General-Protocoll" beschreibt Abt Clemens ausführlich die Bauarbeiten und berichtet zum Jahre 1660, dass "zue Wienn die vhralte ganz ohnediß schier zerfallene Capellen völlig abgebrochen worden" sei (76), und diese im darauffolgenden Jahr gemeinsam mit dem neuen Gebäude gegen die Schönlaterngasse zu neu errichtet worden wäre (77).Diese Nachricht belegt, dass die Kapelle bereits seit längerer Zeit in diesem Teil des Hofes situiert war. Seit wann es eine Hofkapelle gab, ist unbekannt, sie wird in einer Pressburger Urkunde vom 25. Juli 1311 erstmals genannt (78). Es ist anzunehmen, dass es ab dem Zeitpunkt, als sich außer Konversen auch Mönche längere Zeit im Hof aufhielten, auch eine Kapelle gab, da diese als Priester ja auch außerhalb des Klosters ihrer Meßverpflichtung nachzukommen hatten. Wann der ursprünglich verbotene Aufenthalt auch nur grundsätzlich möglich war, ist jedoch ebenfalls unbekannt. Die normativen Quellen des Zisterzienserordens sind hier bemerkenswert schweigsam und sanktionieren lediglich im Nachhinein den "gewachsenen Zustand" (79). Belegt ist anderenorts, dass Ende des 13. Jahrhunderts immer häufiger Mönche statt der Konversen die Verwaltungsaufgaben der Höfe übernahmen (80), in diese Zeit wird wohl auch die Errichtung des ersten Kapellenbaues zu setzen sein.
Ein Hofmeister des Stiftes in Wien namens Gerold wird erstmalig 1259 als Zeuge erwähnt (81).
Die vorbarocken Befunde in der Kapelle
Die geplante Abgrabung in der Kapelle zur Trockenlegung des Mauerwerks ergab im März 2001 die Gelegenheit zur Überprüfung, ob die barocke Kapelle tatsächlich direkt am Standort des Vorgängerbaues errichtet worden war, wie dies bisher vermutet worden ist. Diese Annahme bestätigte sich allerdings nicht (82).Im Bereich der Vorhalle (unterhalb der Empore) wurde der Ostabschluss eines Gebäudes ergraben, zu dem auch zwei Fußböden festgestellt werden konnten.
Von der Südwand teilweise überbaut haben sich im westlichen Teil der Kapelle die Reste eines älteren Fundamentes aus unbearbeiteten Lesesteinen mit einem Abstoß nach Süden erhalten, das auch mit dem Gebäude im Westen in Verbindung stand (Abb. 463). Es könnte noch dem 13. oder 14. Jahrhundert entstammen. Es ist anzunehmen, dass dieses Fundament einen ehemaligen Gebäudeabschluss nach Norden hin markierte und der heutige Kapelleninnenraum ehemals freie Hoffläche war.
In der östlich an den Kapellenraum anschließenden Sakristei wurde unter der Ostwand ein mittelalterlicher Brunnen aufgedeckt, von dem nur ein kleiner Teil innerhalb des Raumes liegt, der größere Teil jedoch unterhalb der Ostwand und außerhalb des Hofes in der Schönlaterngasse. Er besteht im obersten Bereich aus drei Lagen sorgfältig bearbeiteter Ringsegmente und ist darunter aus Bruchsteinen gemauert (Abb. 464). Der innere Durchmesser der leicht ovalen Brunnenfassung beträgt 2,15 bzw. 2,40m. Mit diesen eindrucksvollen Ausmaßen übertrifft der Heiligenkreuzer Hofbrunnen die übliche Größe der Wiener Hausbrunnen um einiges (83). An den Brunnen war nördlich ein von Westen nach Osten verlaufendes Fundament angebaut, das einerseits von der jetzigen Sakristei-Ostwand, andererseits vom 1730 errichteten Hochaltar überbaut ist (Abb. 465 Der Brunnen unter der Ostwand der Sakristei, im Vordergrund das West-Ost-Fundament). Das bedeutet, dass im Anschluss an die östliche Außenmauer des Hofes entlang der Schönlaterngasse ebenfalls ein Gebäude situiert war.
Im eigentlichen Innenraum der Barockkapelle fanden sich keine Bebauungsspuren, lediglich einige zum Kapellenbau gehörige Pfostengruben und das Grab des 1714 verstorbenen Hofmeisters Franz Thil (84).
Die archäologischen Untersuchungen in der Kapelle haben gezeigt, dass die Erneuerung und Umgestaltung durch Abt Clemens eine völlig neue Gebäudestruktur in diesem Bereich des Hofes ergab. Dies lässt sich auch durch einen Blick auf den 1547 entstandenen Stadtplan des Bonifaz Wolmuet (siehe Abb. 441) belegen, der als einzige Planquelle den Hof noch vor der Barockisierung zeigt. Das innere Hofareal war damals viel größer als heute, die Gebäude konzentrierten sich im Anschluss an die Süd- und Ostbegrenzung des Hofes, die Nordseite war noch beinahe gänzlich unverbaut.
Die Fundamente unter der Südwand und in der Vorhalle können als Eckbereich zwischen Osttrakt und dem vorspringenden Mittelrisalit gedeutet werden, der auch auf Hoefnagels Vogelschauplan von 1609 deutlich erkennbar ist (siehe Abb. 440). Mit dem 1661 neuerrichteten Gebäude wurde die Front des südöstlichen Hoftraktes nach Norden zu in ehemalige Freifläche hinein verschoben und vermutlich etwa auf die Höhe des Mittelrisalits hin begradigt.
Die barocke Kapelle von Abt Clemens Schäffer und Abt Robert Leeb
Der Kapellenraum der 1661/62 erbauten Kapelle war etwas kleiner als heute, die ehemalige Ostwand befand sich vor dem jetzigen Hochaltar. In den Nischen der Seitenaltäre hat sich im Fußbodenbereich an einigen Stellen der zugehörige weißgetünchte Verputz erhalten. Zur Ausstattung der Kapelle gehörtenvermutlich mindestens zwei Altäre, denn 1661 wurde beim Tischlermeister Martin Heythaler für die neuzu bauende Capelle ein Altar aus schwarzgebeiztem Birnbaumholz zu Ehren S. Philippi et Jacobi angeschafft, und am 23. November 1662 erfolgte die Einweihung des dem Hl. Bernhard dedicierten (Haupt-)Altares. Orgelbauer Daniel Pär lieferte ein Positiv für die Capelle (85). Dieses Orgelpositiv stand auf einem hölzernen Chor, der aber bereits 1682 wieder entfernt wurde, als Abt Clemens von seiner großen Abteistube aus eine Kammer in die Kapelle hinein erbauen ließ mit einem Fenster gegen den Altar hin (Abb. 466) (86).Die Sakristei befand sich wie heute noch östlich der Kapelle ("Capelln vnd Sacristi hinden dran"), hatte aber einen anderen Grundriss. Vermutlich war nur der nördliche Teil, der auch von der Toreinfahrt her zu betreten war, als Sakristei in Verwendung. Der südliche Teil, in dem sich der Brunnen befindet, war damals wohl noch von der Sakristei durch die West-Ost verlaufende Mauer getrennt, deren Fundament ergraben worden ist.
Abt Robert Leeb (1728-1755), der vor seiner Abtweihe auch Hofmeister im Heiligenkreuzerhof war, ließ den Innenraum der Bernhardikapelle künstlerisch neu ausgestalten und auch einige bauliche Veränderungen durch F. Jänggl und F. A. Pilgram durchführen. Aus der Bewilligung einer Baufluchtänderung vom 16. Mai 1729 (87) geht hervor, dass die Ostwand zur Schönlaterngasse hin zurückgesetzt wurde, um eine bequemere Einfahrt in den Hof zu ermöglichen, wobei "der brun umb die helffte hinein gezogen" und die Straße dadurch verbreitert wurde. Der Abriss und Neubau der NO-Ecke und Ostwand der Sakristei konnte durch den Wechsel des Mauerwerkes vor Ort beobachtet werden. Dazu passt auch die Neugestaltung des Stiegenaufganges von der Sakristei zu den Oratorien mit Bandlwerkstuck in den Fensterlaibungen und an der Decke.
Der Brunnen wurde von der neuen Ostmauer überbaut, genau oberhalb des Brunnenschachtes blieb eine Nische in der Außenwand ausgespart, so dass der Brunnen zumindest von außen weiter zugänglich war (Abb. 468) (88). Die Sakristei nahm nun die gesamte Breite des Kapellenschiffes ein, wurde jedoch durch die Rückversetzung der Altarwand für den neuen Hochaltar zusätzlich geschmälert, wodurch auch die Türöffnung zur Einfahrt hin verkleinert werden musste. Der Aufgang zu den Oratorien führte über eine Wendeltreppe in der NO-Ecke, der noch bestehende Stiegenaufgang entlang der Ostwand entstand erst später (89).
Der Innenraum der Kapelle wurde gänzlich neu ausgestattet, von der neuen Wandgliederung durch Stuckmarmorpilaster bis zu den Wand- und Deckenmalereien von Antonio Tassi (90). Der Hochaltar und die Seitenaltäre stammen von Giovanni Giuliani und seiner Werkstatt, das Hochaltarbild von Martin Altomonte91. Das bemerkenswerte schmiedeeiserne Kommuniongitter trägt die Wappen des Stiftes und von Abt Robert (Abb. 469).
Schlussfolgerungen zum Standort der vorbarocken Kapelle
Die "vhralte Capellen", die Abt Clemens 1660 abtragen ließ, befand sich gesichert im Vorgängertrakt im Südosten des Hofes. Der Wohlmuet-Plan von 1549 zeigt südlich dieses Traktes eine Freifläche, die noch 1634 in einer Urkunde als "Höfel zunächst der Kapelle" erscheint (92). Das Kloster hatte Friedrich Höffer erlaubt, aus seinem Haus in der hinteren Bäckerstrasse (= Schönlaterngasse 1) drei Fenster in den Kapellenhof auszubrechen. Somit ist klar, dass sich die Kapelle innerhalb dieses südöstlichen Gebäudetraktes im Anschluss an besagten Hof befand, möglicherweise im Obergeschoss, wie dies bei Hofkapellen häufig der Fall war (93). Die Hoefnagel-Ansicht gibt keinerlei Hinweis zur Kapelle, etwa in Form spezieller Fenster, möglicherweise gab es einen Altarerker im Osten wie etwa beim Kamper Hof in Köln (94).Ob es sich bei dieser Kapelle um den ursprünglichen ersten Kapellenbau gehandelt hat, ist nicht zu belegen, aber durchaus wahrscheinlich. In Diskussionen wurde auch angeregt, den ersten Kapellenbau im Obergeschoss von Kernbau A zu suchen, wie dies auch im Passauer Lesehof in Klosterneuburg - nach gesicherten Befunden - rekonstruiert wird. Dagegen spricht allerdings der frühe zeitliche Ansatz dieses Gebäudes, denn in einem Zisterzienserstadthof wäre eine Kapelle im frühen 13. Jahrhundert eher ungewöhnlich.
Diesen Artikel verlinken: http://acommunity.at/A/kjj3 - Artikel empfehlen: Tweet