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2010:

ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 4

ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 4

DER FRÜHNEUZEITLICHE BESTAND DES BINDERHOFES

Der Trakt im Osten - C
Am westlichen Ende der Südmauer von Kernbau A schließt ein längsrechteckiger Baukörper mit Außenmaßen von ca. 25x13,5m an. Dieser Trakt - C - bildet den östlichen Abschluss des Heiligenkreuzerhofes bis zum Portal zur Schönlaterngasse. Ursprünglich setzte seine Westmauer die Flucht des Westabschlusses von A fort, aber in einer jüngeren Phase wurde die Breite des Trakts nach Westen zu fast verdoppelt.

Das Erdgeschoss konnte von den Verfassern wegen des intakten Verputzes nicht eingehend untersucht werden. Die Untersuchungen begrenzten sich auf die beiden Kellergeschosse, die mit 21m lichter Länge, sowie im Norden 5,6m, im Süden ca. 6,4m lichter Breite, gleich groß sind. Beide Geschosse sind mit Stichkappentonnen überwölbt. In jedem Geschoss sind dreimal zwei gegenüberliegende, aber zum Teil zueinander leicht versetzte, runde Kappen mit spitz zugeputzten Graten. Die Gewölbe sind aus Gewölbeziegeln und Mauerziegeln erbaut, deren gemeinsame Verwendung für den gesamten frühneuzeitlichen Bestand im Heiligenkreuzerhof charakteristisch ist (66).
Die Mauern sind wie überall in dieser Phase der Struktur nach "Netzmauerwerk". In beiden Südwänden, im ersten Geschoss unter der mittleren Kappe der Westwand, und auch im zweiten Geschoss unter den beiden südlicheren Kappen der Westwand, sind Nischen in die Mauern eingelassen. Transportschächte führten ursprünglich in beiden Geschossen unter jeder Stichkappe der westlichen Wand nach oben, ein Beweis, dass das Gebäude vor dem barocken Ausbau hier endete.

Der frühere Hauptzugang zu diesen beiden Kellergeschossen lag unmittelbar westlich anschließend (siehe unten "Die Erschließung der frühneuzeitlichen Keller"). Vom zweiten Kellergeschoss besteht auch eine Verbindung mit den älteren Kellerräumen. In der Nordwand führt ein Treppenaufgang durch einen 5m langen, zweimal geknickten und durchschnittlich 2,4m breiten tonnengewölbten Tunnel in den Keller unter Kernbau A (Abb. 455). Das Portal des bestehenden Kellers von A wurde gegen den Tunnel gebaut, ein weiterer Beweis für den Vorgängerkeller des Gebäudes A.
Der Keller unter dem Hof - F
Aus demselben Guss wie die Kellergeschosse des Traktes C und auf dem unteren Kellergeschossniveau ist ein langer, schlanker Ost-West-orientierter Kellerraum mit den lichten Maßen 25,5x5,66m. Der Kellerboden liegt 9m unter der unverbauten Hoffläche und wurde ursprünglich von Osten her erschlossen. Der Keller ist mit einem Tonnengewölbe ohne Stichkappen aus denselben Ziegeln wie die Gewölbe von Trakt C überwölbt. Das Gewölbe wurde in elf Abschnitten von 2 bis 4m Länge errichtet (Abb. 456 Keller F, Südwand mit nachträglich eingebautem Stiegenabgang, daneben eine dreieckig abgeschlossene Lichtnische, ganz links eine nachträglich eingetiefte seichte Nische).
Die Erschließung der frühneuzeitlichen Keller
Der Zugang zum frühneuzeitlichen Bestand liegt zwischen Gebäude C und Keller F. Vom Süden führte im Bereich der Einfahrt Schönlaterngasse ein rund 12m langer Abgang mit 3m lichter Breite hinunter ins zweite Kellergeschoss. In jüngerer Zeit ist dieser Zugang aufgegeben und in kleine Kellerräume umgewandelt worden, aber der untere Teil des Tonnengewölbes, das den Abgang überspannte, sowie sein Ansatz im ersten Kellergeschoss sind noch erhalten. In der linken, westlichen Wange des Treppenhauses wurde eine 0,39cm breite und 0,49m hohe dreieckig abgeschlossene Lichtnische eingelassen. Ob der Abgang mit einer Treppe oder einer Rampe ausgestattet war, lässt sich heute nicht mehr sagen, doch wäre eine Rampe angesichts der Raumbreite durchaus möglich (67).

Am Fuß des Abgangs befindet sich ein kleiner rechteckiger, kreuzgratüberwölbter Flur, von dem man östlich in das zweite Kellergeschoss des Baukörpers C ging und früher nach Westen den Keller F betreten konnte. Die Ecke zwischen dem Abgang und dem Keller C ist gerundet, um Beschädigungen an Fässern oder Karren zu verhindern.

Im ersten Kellergeschoss, nördlich des Abgangs und oberhalb des Flurs befand sich ein weiterer Kellerraum mit Stichkappentonnenwölbung. Im Westen dieses Raums ist eine Nische, die sich ursprünglich in einen ungewöhnlich großen Transportschacht öffnete. Er verband den Hof direkt mit Keller F und auch mit beiden Kellergeschossen von Gebäude C.
In einer einzigen Bauphase wurde das Raumvolumen der Keller des Stiftshofes durch drei neue Räume in etwa verdoppelt. Die Datierung dieser Phase ist nur innerhalb eines breiten Rahmens möglich. Die Verwendung von Gewölbeziegeln schließt eine mittelalterliche Entstehung aus. Sowohl die Form der Stichkappen, als auch das Netzmauerwerk deuten auf das 16. oder frühere 17. Jahrhundert hin. Alois Kieslinger brachte diese Phase in Verbindung mit dem für 1584 überlieferten Bau eines Kellers unter Abt Ullrich II. Müller (1558-1585) (68). Es gibt nichts im Baubestand, das seiner These widersprechen würde.

DER BAROCKE BESTAND DES BINDERHOFES

Der neue Keller im Nordwesten des Binderhofs - D
Gebäude D wurde in der Neuzeit in großem Stil verändert. Mittels neuer Gewölbe und Ziegelvorblendungen wurden zwei Kellergeschosse geschaffen, wo es früher nur eines gegeben hatte.

Das erste Kellergeschoss ist fast vollständig aus Ziegeln errichtet worden.
Für das zweite Kellergeschoss mit lichten Maßen von ca. 15,7x6,7m und einer Höhe von 5m wurde der Boden des mittelalterlichen Kellers bis zu einem Niveau abgetieft, das rund 2,5m tiefer liegt als der Boden des östlich anschließenden Kellers B, und eine Ziegeltonne ohne Stichkappen eingezogen, in der drei runde Transportschächte primär im Scheitel sitzen. Die erhöhte Steinfassung des westlichsten Schachtes ist im ersten Kellergeschoss noch erhalten (Abb. 457). Die Mauern bestehen aus Netzmauerwerk mit einem geringeren Steinanteil als in den Kellern C und F.
Im westlichen Teil der Südwand befindet sich eine 2,09m breite, 1,6m hohe und 0,83m tiefe Nische, deren Rückwand aus reinem Ziegelmauerwerk sekundär eingesetzt ist. Die Nische war ursprünglich eine Öffnung zu einem nun vergessenen Kellerraum unter Baukörper E.
Vom östlichen Teil der Südwand führt ein 18m langer Tunnel schräg unter dem Binderhof zum Zugangsflur zwischen C und F. Der Tunnel ist ein primärer Bestandteil des Kellers von D, unterbricht jedoch sekundär das frühneuzeitliche Mauerwerk am anderen Ende des Tunnels. Oberhalb des Nordeinganges zum Tunnel ist eine Bauinschrift angebracht, die Abt Clemens Schäffer als Bauherrn und das Jahr 1664 angibt (69). In seinem General-Protocoll schreibt er: "ist diße dreiy Jahr hindurch der große doppelte Keller anderthal zirgl dikh gewölbt vnd ...verfertigt worden" (70).
Die neue Geschossaufteilung im Kernbau A
Wie bereits erwähnt, wurde in der Neuzeit auch in Kernbau A die Geschossaufteilung verändert. Der Boden des Erdgeschosses wurde um 1m abgesenkt und eine Ziegeltonne eingebracht, um zwei Geschosse statt des einen Saales zu schaffen (Abb. 458). Drei flache Gurtbögen stützen die Tonne. Im westlichen Teil des Geschosses verbanden Portale das neue Kellergeschoss mit den Erdgeschossen von C und B (71).
Das zweite Kellergeschoss wiederum entstand als Netzmauerwerk-Verblendung eines mittelalterlichen Kellers. Das Bodenniveau blieb gleich. Das Netzmauerwerk ähnelt eher dem Mauerwerk von C als dem von D. Im Nordwesten blieb das mittelalterliche Portal zu B erhalten, während dem Keller im Südwesten der Tunnel mit dem Stiegenabgang zum zweiten Kellergeschoss von C vorgelagert wurde. Über den Nischen und Portalen der Längswände sind runde Stichkappen mit zugeputzten Graten. Diese Kappen sind den Kappen von C ähnlich, aber schlanker und weniger "scharf" aufgeputzt.

Ab dieser Bauphase verband eine steile Treppe den Binderhof mit beiden Kellergeschossen, aber die heutige Steintreppe muss eine frühere Holztreppe ersetzt haben. Ein 2m breites und in den Hof hinein ragendes Portal, das nun in der Mitte der Westwand ausgebrochen wurde, öffnet zu dieser Treppe (Abb. 459 Eingang vom Binderhof in das 2. Kellergeschoss von Gebäude A). Spätestens mit diesem neuen Portal wurde das mittelalterliche Erdgeschossportal zerstört.
Der Umbau des Kernbaus A fand nach dem Bau der Kellergeschosse von C statt. Da die Neugestaltung von D die Auflösung des vermuteten mittelalterlichen Einganges zu den unteren Kellergeschosse bedingte, muss der Umbau von A mit dem Einbau der neuen Treppe gleichzeitig oder vor dem Umbau von D stattgefunden haben, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt (72).

Im Baukörper B wurden die Geschosse glücklicherweise nie neu aufgeteilt. Dafür wurde ein massives Kreuzband im Erdgeschoss eingebracht. Die Gurte sind vollständig aus Ziegel und 0,97m breit. Das Kreuz trägt eine hölzerne Flachdecke. Das mittelalterliche Bodenniveau blieb erhalten. Im Kellergeschoss stützt heute der mittelalterliche Gurt ein Tonnengewölbe aus neuzeitlichen Mauerziegeln. Diese Umbauten können nicht genau datiert werden, möglicherweise stammen auch sie aus der Zeit von Abt Clemens Schäffer.
Abgesehen von einigen wenigen Maßnahmen sind seit den 1660er Jahren die Kellergeschosse um den Binderhof nicht verändert worden. Auch die neueste Sanierung hat den älteren Bestand nur wenig verändert.

ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE - BINDERHOF

Die Ergebnisse der Bauforschung in den Gebäuden um den Binderhof können folgendermaßen zusammengefasst werden: Im frühen 13. Jahrhundert entstand an der östlichen Seite des Binderhofes der Kernbau A. Er besaß ein Obergeschoss, war ursprünglich nicht unterkellert und von Anfang an Teil des Stiftshofes. Bandrippengewölbe, Teile von vier Fenstern, Strebepfeiler und Mauerwerk sind bis heute erhalten.

Noch im 13. Jahrhundert entstand nördlich an A anschließend Gebäudeteil B. Gurtbogen, Portal, Kellermauerwerk und Rechteckfenster datieren ins Mittelalter. Gleichzeitig wurde A zumindest teilweise unterkellert. Eventuell gleichzeitig entstand auch Gebäudeteil D. Von einem Abgang an der Nordseite des Binderhofes konnte man links in das Kellergeschoss von D biegen, rechts B und in weiterer Folge A betreten.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt im späteren 13. oder 14. Jahrhundert entstand Gebäudeteil E. Alle Mauern der Gebäude um den Binderhof waren stark genug, um steinerne Obergeschosse zu tragen.

Im späteren 16. oder frühen 17. Jahrhundert, eventuell um 1584 unter Abt Ullrich II. Müller, entstanden die Kellergeschosse von C, sowie der Keller F und der Abgang zwischen diesen beiden Baukörpern.

Um 1664 unter Abt Clemens Schäffer wurde die Geschossaufteilung des Gebäudes D verändert. Neben dem zweiten Kellergeschoss von D entstand der Tunnel zum Flur zwischen C und F, sowie spätestens jetzt ein Kellergeschoss unter Gebäudeteil E.

Ebenfalls im 17. Jahrhundert, gleichzeitig oder schon vor dem Umbau von D, wurden Kernbau A und eventuell auch Gebäude B umgebaut. 1677/78 entstand der Stiegenabgang aus dem Prälaturgebäude in Keller F, durch den der Keller auch heute noch erschlossen wird (73).

Damit hat die Kelleranlage mehr oder weniger ihren heutigen Zustand erreicht.
Diese Ergebnisse bestätigen im wesentlichen die Forschungen von Alois Kieslinger vor mehr als fünfzig Jahren. Zusätzlich konnten die mittelalterlichen Keller von A und D sowie der neuzeitliche Keller von E erschlossen werden. Auch die Zugangsmöglichkeiten in die Keller zu unterschiedlichen Zeiten sind ausführlich dargelegt worden. Einige Bauteile wie das mittelalterliche Westportal von A und der Gurtbogen im 1. Kellergeschoss von D sind neu erkannt worden, für Keller F konnte belegt werden, dass er gleichzeitig mit C entstanden war.
Marina Kaltenegger - Paul Mitchell, OR, 26.9.2010
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Offenlegung:

  • Oliver Riebenbauer, Wien