ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 3
ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 3
Der nördliche Anbau - B
An den Kernbau schließt nördlich ein rechteckiges Gebäude (B) mit Außenmaßen von ca. 13,5x10,5m an. Es ist nachträglich an das ursprünglich im Norden freistehende Gebäude A angefügt, denn in seinem Erdgeschoss ist die Außenseite eines Fensters von Gebäude A in altvermauertem Zustand sichtbar geblieben (Abb. 450). Außerdem war der Keller von B nachweislich mit einem Keller von A verbunden. Kernbau A besaß jedoch in seiner ersten Phase kein Kellergeschoss.Im Erdgeschoss ist abgesehen von dem Fenster nur mehr wenig mittelalterlicher Bestand sichtbar, die Wände sind zum großen Teil mit Ziegeln verblendet. In der Ostwand sind noch zwei außen abgefaste, nach innen getrichterte Rechteckfenster in Bruchsteinmauerwerk erhalten, welche möglicherweise noch gotisch sind (siehe Abb. 448) (55). Das Kellergeschoss von B (lichte Maße 10,4 bis 11,3x8 bis 8,9m) ist bis zum Scheitel seiner neuzeitlichen Ziegeltonne ca. 5,5m hoch und durch einen großen, halbkreisförmigen, auf Wandpfeilern aufliegenden Gurtbogen aus Kalksteinquadern in zwei etwa gleich große Hälften getrennt (Abb. 451). Der Gurt hat eine lichte Gesamthöhe von 4,48m, der Radius beträgt ca. 3,4m, der Bogenansatz beginnt 1,5m oberhalb des Fußbodens. Gurt und Pfeiler sind im Querschnitt quadratisch (0,79-0,84cm) mit abgefasten Kanten, der Schlussstein besteht nur aus einer schmalen Scheibe. Oberhalb des Bogens befindet sich eine Aufmauerung aus Ziegeln, deren Zeitstellung unklar ist, ebenso die ursprüngliche Eindeckung des Raumes (Flachdecke oder Gewölbe).
Hoch oben in der Ostwand, etwas rechts vom Scheitel der Tonne, befindet sich ein steil abfallendes, mittelalterliches Lichtfenster.
In der Südwand führt ein etwa 2m breites, 3,5m hohes, beidseitig abgefastes Rundbogenportal westlich des Gurtes und mit diesem im Steinverband in das Kellergeschoss des Kernbaus A (Abb. 452). An der Südseite des Portales ist die 0,29-0,39m starke Vorblendung der barocken Kellerwand von A deutlich erkennbar, hinter der das Mauerwerk des mittelalterlichen Kellers verschwunden ist. Das Portal ist somit der Beweis für das Vorhandensein eines älteren Kellers unter Baukörper A, zumindest unter dessen Westteil.
Große Gurtbögen wie in Keller B sind keine Seltenheit. Im Hauptgebäude des schon erwähnten Passauer Lesehofs, datiert in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts, ist der Saal durch zwei ähnlich große Rundbögen die eine Flachdecke stützten, getrennt (56). Die beiden Räume sind dementsprechend ähnlich hoch (57). Beispiele finden sich auch im profanen Bereich. Ein ähnlich großer Gurt mit Spitzbogen aus dem 13. Jahrhundert ist aus einem Wohnhaus in Brünn, Mähren, bekannt (58), während im Schloss Eferding, Oberösterreich, ein halbkreisförmiger Gurt erst in das spätere 14. Jahrhundert datiert wird. In Eferding läuft die Abfasung in "pyramidenförmigen Abläufen" aus (59).
Ähnliche, wenn auch kleinere und etwas schlankere Fenster als die mutmaßlich gotischen Fenster im Erdgeschoss von B sind auch im Erdgeschoss bzw. Souterrain des "Berghofs" des Stiftes Klosterneuburg in Heiligenstadt bei Wien zu sehen. Sie werden dort in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert (60). Um 1330 wiederum datieren ähnliche Rechteckfenster im Nordflügel des alten Kreuzganges in Stift Klosterneuburg (61).
Das Mauerwerk in diesem vermutlich einphasigen, teilweise noch verputzten Keller ist ein Beispiel für das Vorkommen unterschiedlicher Mauerstrukturen, die vermutlich durch das verwendete Steinmaterial vorgegeben wurden (62). Keller B ist in das 13. Jahrhundert nicht sehr viel später als Gebäude A zu datieren.
Der nordwestliche Bau - D
Dieser Gebäudeteil, westlich an B anschließend und mit Außenmaßen von 17,5x12m, ist heute durch massive Ziegelvorblendungen und den nachträglichen Einbau zweier tonnengewölbter Kellergeschosse, sowie eines Treppenhauses im Osten, nur mehr schwer als mittelalterliches Gebäude erkennbar. Alois Kieslinger erfasste nicht näher datierbares Bruchsteinmauerwerk im Inneren des Erdgeschosses und gegen die nördliche Außenmauer zwei bis drei steinerne Stützpfeiler (63). Seine Angaben können teilweise nicht mehr überprüft werden, da etwa die Stützpfeiler, die damals noch im Hof des Hauses Fleischmarkt 22 gut zu sehen waren, mittlerweile abgemauert und verputzt sind. Im ersten Kellergeschoss fiel jedoch in einem schmalen Lichtschacht, der in den Binderhof führt, das Fragment eines möglicherweise noch mittelalterlichen Fensters auf.Im Fußboden des ersten Kellergeschosses und als Fundament einer neuzeitlichen Ziegelzwischenwand befindet sich 2,7-3,0m westlich der Ostwand ein 0,65cm breiter Gurtbogen (Abb. 453). Seine Oberkante liegt rund 2,5m tiefer als das heutige Niveau des Binderhofes. Der Gurt blieb wohl aus statischen Gründen nach dem Umbau bestehen und ist vermutlich oberhalb der neuzeitlichen Ziegeltonne des zweiten, tieferen Kellergeschosses noch komplett erhalten. Es ist der letzte Rest eines verschollenen mittelalterlichen Kellers. Der Bogen ist zwar 0,15m schwächer als der Gurtbogen von B, die lichte Weite entspricht jedoch in etwa jener von Keller B (64). Möglicherweise entstammen beide Gurtbögen derselben Bauphase.
Anders als im Keller von B trennte der Gurt von D dessen Keller nicht in zwei gleiche Teile, sondern in einen östlichen Teil von bis zu 3m Länge und einen westlichen Teil von maximal bis zu 12,5m Länge. Da der schmale Teil keine sehr sinnvolle Größe für einen Keller (weniger als 20m2) darstellt, könnte er als "Eingangsflur" fungiert haben. So hätte eine Rampe vom Binderhof in die Keller führen können, um links den Zugang zu D, rechts den Zugang zu B und danach in A zu ermöglichen. Das mittelalterliche Portal zwischen B und dem "Flurbereich" D müsste im Bereich des heutigen, barocken Durchgangs gelegen sein.
Mangels sichtbarem Mauerwerk oder Architekturdetails kann Bau D nicht datiert werden. Dennoch gehört er seiner möglichen Rekonstruktion wegen höchstwahrscheinlich zur selben Phase als B. D ist als Baukörper auf jedem Fall vergleichbar mit A und B. Er hat eine Gesamtgrundfläche von ca. 210m2, kleiner als A mit ca. 286m2, aber wesentlich größer als B mit ca. 142m2. Seine Stützpfeiler, die nach der Vermessung von Kieslinger ca. 1,5m breit und 0,5m tief sind, sind eher "romanische" Wandvorlagen als "gotische" Strebepfeiler. Jedoch sind sie ein Hinweis für das steinerne Obergeschoss, das in jedem Fall anzunehmen ist.
Der westliche Bau - E
An den westlichen Teil der Südwand von Gebäude D schließt ein weiterer, längsrechteckiger Bau an, der heute nicht unterkellert ist, es möglicherweise aber in der Barockzeit war (siehe unten). Seine Außenmaße betragen 16x8m, die Außenwände sind "nur" 1m stark. Das Erdgeschoss liegt tiefer als das Niveau des Hofes. Im Inneren ist wegen des Verputzes kein mittelalterliches Mauerwerk sichtbar. Einen Beweis, dass auch dieser Trakt mittelalterlich ist, liefert lediglich ein offenes "Fenster" in der Fassade zum Haupthof, das nach einer Sanierung ohne Verputz belassen wurde (Abb. 454). In dem weniger als 4m2 großen Ausschnitt sieht man Bruchsteinmauerwerk ohne einzelne Lagen, aber mit einer gewissen Lagerhaftigkeit, nach dem Baukörper E in das 13. oder 14. Jahrhundert, nicht aber in das frühe 13. Jahrhundert wie Kernbau A, datiert werden kann. In dieses Mauerwerk ist ein breiter Ziegelbogen aus mittelalterlichen Mauerziegeln65 eingelassen. Der Bogen ist eher zu niedrig für ein Portal und seine Funktion ist unklar.Somit existierte spätestens im 14. Jahrhundert, eventuell schon im späteren 13. Jahrhundert ein Komplex von vier großen Steinbauten um den Binderhof. Drei dieser Gebäude waren unterkellert, zwei, eventuell alle vier Baukörper besaßen mindestens ein steinernes Obergeschoss. Die Anlage bildete ein Zentrum des mittelalterlichen Stifthofes, das bis heute sehr gut erhalten blieb. Neben Aufstockungen, die nicht untersucht werden konnten, sind diese Gebäude während der Neuzeit vor allem im Kellerbereich ergänzt worden.
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