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2010:

ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 6

ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 6

ÜBERLEGUNGEN ZUR ENTWICKLUNG DES HOFES

Wann auch immer das Hofareal in den Besitz des Klosters Heiligenkreuz gekommen ist, das älteste Gebäude, von dem wir Kenntnis haben ist Kernbau A in der NO-Ecke des Hofes aus dem frühen 13. Jahrhundert. Bereits Alois Kieslinger hat einen Zeitrahmen von 1210-1230 für seine Entstehung angegeben, der abgesehen von der Mauerwerksanalyse auch einen historisch begründbaren Hintergrund hat.

Der Heiligenkreuzer Konvent hatte längere Zeit eine Verlegung des Klosters nach Westungarn erwogen, die jedoch 1209 vom Generalkapitel abgelehnt worden war (95). Ab diesem Zeitpunkt beginnt unter Abt Werner der neue Ausbau der Klosteranlage, der 1240 unter Abt Egilolf mit der Weihe des "gesamten Klosters" seinen Abschluss findet. Es erscheint logisch, auch den Ausbau des Wiener Klosterhofes für diese Zeit des Aufbruchs und Neubeginns anzunehmen. Bemerkenswerterweise markiert dieser Zeitraum auch einen Wendepunkt in der Wirtschaftsgeschichte des Klosters, nämlich den Übergang vom Eigenwirtschaftssystem zur Zinswirtschaft (96).
Der Ziegelhof mit den Gebäuden um den Binderhof bildet mit den (Wein-) Kellern und Speicherräumlichkeiten das Zentrum für die Lagerung der Handelswaren (97), wie dies in den Bezeichnungen der Urbare "den hindern keller vnder dem chasten" und "den hindern chasten" zum Ausdruck kommt (98). Aus der Zeit zwischen 1221 und 1231 stammt auch ein 1270 erneuertes Bürgerrechtsprivileg der Stadt Wien mit der Erlaubnis, 72 Karraten Wein abgabenfrei einführen und verkaufen zu dürfen (99). Die Bedeutung des Weinhandels ist durch die ständige Vergrößerung der Lagerflächen durch Neu- oder Umbauten der Keller eindrucksvoll belegt.

Der Grashof hingegen war wohl ein eher landwirtschaftlich geprägter Teilbereich des Hofes, mit Wiesenflächen, Bäumen und vermutlich auch kleineren Anbauflächen oder Beeten zur Eigenversorgung.
Für die Frühzeit des Hofes ist ungeklärt, wo sich die "domus" für die (großteils temporäre) Unterbringung der Klosterangehörigen befand. Mit vermehrter Aufenthaltsdauer und der Verwaltungsübernahme durch Konventualen wird der Bau eines repräsentativen Hauses mit angeschlossener Kapelle im Süden des Hofes anzunehmen sein.

Im Spätmittelalter wurden die Stadthöfe zunehmend Bestandteil nicht nur des zisterziensischen Klosterlebens. Durch die Jesuitenuniversität kamen fratres zum Studium nach Wien. Für die Äbte wurde der Klosterhof eine Nebenresidenz. In der Barockzeit führten die Verpflichtungen der Prälaten zur Teilnahme an Hof-und Landtagen zu langdauernden Aufenthalten. Um den höheren Repräsentationsansprüchen zu genügen, wurde auch der Heiligenkreuzerhof im 17. Jahrhundert aufwendig erneuert.

DER BAROCKE AUSBAU DES HEILIGENKREUZERHOFES

Abt Clemens Schäffer hinterließ eine ausführliche Beschreibung der in den Jahren 1658-1677 durchgeführten Bauarbeiten, die auch Aufschluss über die Vorgängerbauten und deren Nutzung gibt (100).
Er schreibt zu Beginn, dass nach dem Brand von 1627 der Hof bis zu seinem Amtsantritt nur notdürftig wieder hergestellt worden war (101). Im alten Abteigebäude waren provisorisch einige Zimmer hergerichtet worden, eine Abtwohnung mit drei Zimmern und für den Hofmeister ein Stübl und ein Cämmerl, im Obergeschoss wohnten die geistlichen Studenten.
1659 ließ Abt Clemens im "hintern Hoff gegen der senkhgruben ein stökhl" errichten, in dem unten eine Küche, darüber zwei Zimmer für das Archiv (102) eingerichtet wurden. Wie bereits ausführlich geschildert, wurde 1660 die Kapelle abgebrochen und 1661 gemeinsam mit dem "newen gebey gegen der gassen zue dem Collegio der jesuiten" wieder aufgebaut, das "vom eck des großen zimmers der itzigen Abbtey an biß auf die gassen" reichte und auch das Tor umfasste, 1662 erfolgte die Innengestaltung und die Einrichtung der Kapelle.

Abt Clemens begann die Neugestaltung des Hofes demnach sogleich nach seinem Amtsantritt mit der Erneuerung der westlich und östlich an den Mitteltrakt der provisorisch wiederhergestellten Prälatur, seiner "Abbtey", anschließenden Gebäude, wobei er die Fronten nach Norden zu weiter in den Hof hinein verlegte.
1663 erfolgte der weitere Ausbau vom Tor zur Schönlaterngasse an nach Norden zu "hinüber gegen den kellern". 1664 ist der "diße dreiy Jahr hindurch der große doppelte Keller anderthal zirgl dikh gewölbt vnd ... verfertigt worden", gemeint sind die beiden Kellergeschosse von Gebäude D im Binderhof.
1666 wurde schließlich der "mittere alte stokh", also das provisorisch wiederhergestellte Abteigebäude, abgebrochen und neu gebaut mit einer großen Mittelstiege und beiderseitigen Stuben, wobei die linke als "Taffelstuben" fungierte. Für die studierenden Geistlichen wurde eine Stube und eine große lange Kammer gebaut, deren genaue Lage sich nicht identifizieren lässt.

Nach diesem Ausbau der östlichen Hofhälfte werden die Arbeiten für ein Jahrzehnt eingestellt, lediglich einen neuen Brunnen im "hintern Höffl" nicht weit vom alten Brunnen ließ Abt Clemens 1671 graben.
Von den 1676/77 durchgeführten Ausbauarbeiten im westlichen Hofbereich sind wir besonders gut unterrichtet, da auch die Rechnungen und Handwerkerkontrakte erhalten geblieben sind (103).
1676 wurde das "noch Vbrige alte baufällige stökhl in welchem der hoffmaister gewohnet hat, nidergebrochen und gleich darauff der andere Flügl oder großer stokh bis an des Herrn von Ello (104) thüren an gefangen vnd biß zue Endt des Jahres vnter das Tach gebracht." (105).
Vom 26. Juni 1676 datiert der "Contract oder Spanzettl mit Maister Carl Canavall Baumeister", in dem sich jener verpflichtet, nach dem von ihm angefertigten Abriss das Gebäude aufzuführen und zu verputzen, das gesamte Erdgeschoss und einige Zimmer im oberen Teil einzuwölben und die Böden und Gänge zu pflastern. Bis Allerheiligen soll der Teil mit Küche und Kuchlstuben fertiggestellt sein.

In einem Zusatzkontrakt vom 1. Dezember 1676 wird vereinbart, dass unter der Kuchlstuben ein Keller mit Gewölbe und Stiegen verfertigt werden soll. Außerdem soll das Gebäude, das den Westabschluss des Hofes bildet, dergestalt verändert werden, dass ein neues Tor eingesetzt werden kann und eine Angleichung an das südliche Gebäude in Höhe und Fassadengestaltung erfolgt.

Dies bedeutet, dass Abt Clemens den Trakt im Südwesten des Hofes gänzlich neu errichten ließ, während der Westtrakt nur umgebaut und neu verputzt wurde.
Die Küche ist auf dem Plan von 1839 (siehe Abb. 442) noch gut zu erkennen, westlich davon liegt die "Kuchlstuben" mit dem Keller, der von einem kleinen Hof im Süden, vermutlich das "hintere Höffl", zu betreten ist. Der Keller ist heute zweigeschossig, wobei nur das erste Kellergeschoss aus der Bauzeit des Traktes stammt.
Dieses fast quadratische erste Kellergeschoss mit rund 35m2 Innenfläche wird von einer Ziegeltonne überspannt und durch sekundäre Ziegelzwischenwände in drei ungleiche Teile getrennt. Mauerwerk und einige Baudetails erinnern an das zweite Kellergeschoss von D. Im Gewölbe wurden so genannte "Fortifikationsziegel" verwendet, die für das Barock charakteristisch sind (106).

Für den Südwesttrakt liegt ein Kontrakt mit den Stukkateuren Simon Allio und Jacob Schlag vom 10. März 1677 vor, die nach den von ihnen angefertigten, leider nicht erhaltenen Abrissen zwei große Stuben und fünf Kammern oder Zellen ausgestattet haben. Auch der kleine Gang vor des Hofmeisters Zimmer und das ganze Vorhaus bei der neuen Stiege sollte mit einem glatten Boden und sauberen Gesims gemacht werden.

1677 erfolgt schließlich der letzte Teil der Hoferneuerung, das Gebäude im Nordwesten vom Tor in die Grashofgasse bis zum Binderhof. "...von den newen gebey neben des obern thors, alwo Er vermög diß anderten mit ihme vor disen aufgerichten Spanzetl aufgehört hat hinab biß an das Ekh der hochen Mauer wo man in die Keller gehet, die alte Stall und gewölb Mauer (da es vonnöthen) niderwerffen, und ein Newe von grundt aus wenigst 12 schueh hoch durch und durch gewölben...", heisst es in der "Contrahierung mit Maister Carl Canavall das Newe stallungs gebey betreff" vom 28. Juni 1677. Auch die Kontrakte mit Zimmermeister Thoma Leithl und Ziegeldeckermeister Paul Müllner sind erhalten geblieben (107).

Der an die Nordumfassung des Hofes, die "hoche Mauer", angelehnte Trakt wurde teils zu Stallungen, teils zu anderen Gewölben ausgebaut. In einem Raum haben sich noch die ursprünglichen steinernen Pferdetränken erhalten (Abb. 470), für die westlich anschließenden beiden Räume ist die Nutzung als Stall noch am Plan von 1839 belegt.

Generell ist zu sagen, dass in den Erdgeschossräumen der Hofgebäude großteils noch die frühbarocken Kreuzgratgewölbe erhalten sind.
Für den Westteil des Hofes sind wir somit in der glücklichen Lage, nun auch den Baumeister und die Stukkateure zu kennen. Von Carlo Canevale sind für die siebziger Jahre des 17. Jahrhunderts kaum gesicherte Arbeiten bekannt (108). Im Heiligenkreuzerhof arbeitete er 1676/77 als Bau- und Maurermeister nach von ihm selbst angefertigten Plänen, die leider nicht erhalten geblieben sind. Dem Stukkateur Simon Allio konnte bisher lediglich eine einzige Arbeit in der Deutschordenskirche Hl. Elisabeth 1667 sicher zugewiesen werden (109), wo auch Jacob Schlag, dessen Arbeiten besser bezeugt sind (110) stukkiert hat. Bezeichnenderweise war auch Carlo Canevale bei den Um-und Neubauten des Deutschordenshauses 1667-69 und 1679-82 tätig gewesen.

Nach der Neugestaltung des Hofes durch Abt Clemens sind nur wenige Baumassnahmen quellenmäßig belegbar, häufiger sind Nachrichten über Ausstattungsarbeiten, vorwiegend in der Prälatur (111).
Nachdem noch 1722 der Altar der Kapelle im Wienerhofe "so schön restaurirt (wurde), dass man ihn für ganz neu hätte halten können"112 beschloss Abt Robert Leeb 1729 die gänzliche Erneuerung der Innnenausstattung der Kapelle, die bereits oben ausführlich beschrieben worden ist. Auch die schweifgieblige Gartenmauer mit triumphbogenartigen Portal, die den Hof vor der Prälatur vom großen Hof abtrennt, wurde damals errichtet und mit Putti, Vasen und Maskerons von Giovanni Giuliani und seiner Werkstatt geschmückt (Abb. 471 Blick in Richtung Schönlaterngasse, rechts die Kapelle und die den Prälaturhof abschließende Gartenmauer).

Ein Stich von Salomon Kleiner zeigt den Hof nach der Neufassadierung um 1730 (Abb. 472 Ansicht des Heiligenkreuzerhofes von Westen um 1730, Stich von Salomon Kleiner). Rechts vorne der 1676 von Carlo Canevale errichtete Trakt mit der Hofmeisterwohnung, links zwischen den mit Obergeschoss ausgestatteten Trakten im Westen und Osten (Eingang zum Binderhof) ist der 1677 errichtete, an die hohe Feuermauer mit der Sonnenuhr angelehnte ebenerdige Wirtschaftstrakt mit den Ställen und Lagerräumen zu sehen. Die Gartenmauer zum Prälaturhof bestand bereits, hinter der Kapelle mit Dachreiter ist noch die Jesuitenkirche zu erkennen.
Es ist dies eine der wenigen Ansichten, die den Hof noch vor der Aufstockung zeigt.

DER HEILIGENKREUZERHOF IM 18. JAHRHUNDERT

Die letzte einschneidende bauliche Veränderung der Gebäude des Heiligenkreuzerhofes erfolgte 1769-71 mit dem von staatlicher Seite geforderten Ausbau des Hofes zu Wohnzwecken (113). Alle Gebäude (mit Ausnahme der Kapelle) erhielten neue Obergeschosse, so dass sich der Hof seither viergeschossig und im josephinischen Plattenstil neu fassadiert präsentiert. Die von Baumeister Adalbert Hild gezeichneten Pläne des Erdgeschosses und der drei Obergeschosse114 zeigen die Umbaumassnahmen in den bereits bestehenden Geschossen sehr deutlich, es sind dies vor allem die Einbauten der Treppenhäuser, wobei manches letztlich nicht in der angegebenen Form ausgeführt worden ist (115). Die Stiegenhäuser - Vierpfeilertreppen mit flachen stuckgerahmten Platzlgewölben im Südwesttrakt und im Binderhof - sind noch original mit Steinplattenböden und schmiedeeisernen Geländern erhalten, weiters wurden mehrere steinerne Wendeltreppen eingebaut116. Die Walmdächer mit Giebelauszügen wurden auf liegenden Dachstühlen errichtetet, die Hebewinden sind teilweise noch erhalten.
Insgesamt wurden beim Ausbau 50 Wohnungen geschaffen, davon 6 im Erdgeschoss, "das übrige zu stallungen, holzgewölben und anderen Behaltnussen"; 14 im ersten Geschoss, "die übrige wohnung dienen dem titl: herrn Prälaten zur eigener bewohnung". Im 2. Obergeschoss befanden sich "14. Numerirte Zünßwohnungen, die Unnumerirte dienen denen Geistlichen Herren zur eigenen Wohnungen", das 3. Obergeschoss wurde neu für 16 Zinswohnungen gebaut (117).
Für die Mieter dieser Wohnungen mussten auch Lagermöglichkeiten für Holz und Kohle geschaffen werden, daher wurden damals in den Erdgeschossräumen der Gebäude A, B und D im Binderhof durch Abtrennung mit Holzwänden 30 einzelne Kellerabteile geschaffen. Aus den Kellerplänen von 1839 geht hervor, dass auch das 1. Kellergeschoss von D entsprechend unterteilt war. Der Keller unter dem 1677 im Nordwesten errichteten Wirtschaftsgebäude ist vermutlich im Zuge der Aufstockung des Hofes schon als Keller für die Hausparteien neu errichtet worden. Der mehr als 20m lange und weniger als 5m breite längsrechteckige Keller ist gänzlich aus Ziegeln erbaut, mit einem Tonnengewölbe überspannt und durch Holzwände unterteilt. Möglicherweise wurden auch der Keller unter der Prälatur und der Küchenkeller im Südwesttrakt entsprechend genutzt.

Trotz einiger Neuerungen und Anpassungen an heutigen Wohnkomfort hat der Heiligenkreuzerhof seine historisch gewachsene Bausubstanz, die frühbarocke Struktur mit josephinischer Fassade und seine unverwechselbare Ausstrahlung bewahrt. Beinahe ein Wunder, dass heute noch zutrifft, was eingangs als allgemeines Auswahlkriterium und Kennzeichen für die bevorzugte Lage eines Klosterhofs in der Stadt erwähnt wurde: Die abgeschiedene ruhige Lage nahe dem pulsierendem Zentrum.
Marina Kaltenegger - Paul Mitchell, OR, 26.9.2010
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Offenlegung:

  • Oliver Riebenbauer, Wien