ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 2
ZUR BAUGESCHICHTE DES HEILIGENKREUZERHOFES - 2
DER "GRASHOF"
Der Grashof befand sich im Westen des Hofes, beim Tor gegen die Grashofgasse hin.Nach R. Perger erklärt sich der Name daher, dass in jenem Teil des Heiligenkreuzerhofes Gras eingelagert und verkauft wurde (16). Möglicherweise bezieht er sich auch auf eine ursprüngliche Wiesenfläche innerhalb des Hofes. In einer Zusammenfassung von typischen Merkmalen eines Stadthofes in Köln heisst es unter anderem: "Ein besonders stattlicher Hof war ausgestattet mit Grasplatz, Baumgarten und Stallungen, hatte zwei steinerne Pforten und zwei steinerne Häuser vorn an der Straße" (17). Der Heiligenkreuzerhof erfüllt alle diese Kriterien. Eine baumbestandene Freifläche ist noch auf der Vogelschau Hoefnagels von 1609 im Westen des Hofes zu sehen, um ein Gebäude, das am Plan von Wolmuet als "Zur haus" bezeichnet ist.
Während der Grashof 1337 in einer Seelgerätstiftung erstmals urkundlich erwähnt wird18 und von da an in Urbaren aufscheint, wird die Bezeichnung "Zuhaus" im Jahr 1500 in einem Beschaubrief wegen unrechtmäßig ausgebrochener Fenster verwendet (19). 1528 wird in einem Leibgedingbrief eine Präzisierung vorgenommen, indem vom "Zuhaus, genannt der Grashof", berichtet wird (20). 1752 geht sodann aus den Akten eines Prozesses zwischen Abt Robert Leeb und dem Rat der Stadt Wien hervor, dass das Zuehaus im Grashof zu dem nunmehrigen Heiligenkreuzerhof verbaut worden ist (21). Nach den Berichten von Abt Clemens Schäffer muss dies bereits 1676/77 geschehen sein.
Bedauerlicherweise sind aus diesem Teil des Hofes keinerlei Baubefunde bekannt geworden. Da die Räumlichkeiten innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte renoviert worden sind, ist auch derzeit nicht mit Aufschlüssen zu rechnen. Alois Kieslinger wies bereits darauf hin, dass sich in der Nordwestecke des Stiftshofes ein viereckiger Baukörper durch seine dicken Steinmauern deutlich von den schlankeren barocken Ziegelmauern abhebt. Er hält ihn für "den Rest eines mittelalterlichen Westbaues, vielleicht des westlichen Torturms, des" vorderen Tores", wie es das Grundbuch von 1438 nennt" (22). Am Erdgeschossplan des Hofes von 1839 lässt sich dies gut nachvollziehen, aber leider nicht mehr überprüfen (Abb. 442 Grundrissplan des Erdgeschosses ("Ebener Erde") von L. Schöltzel 1839) (23).
Das Grundbuch nennt genau gesagt "den cheller pey dem voderen toer". Der heutige Westtrakt des Hofes ist nicht unterkellert, jedoch wurde beim Umbau der Hausmeisterwohnung südlich des Tores ein zugeschütteter Keller entdeckt (24).
DER "ZIEGELHOF": DIE GEBÄUDE UM DEN BINDERHOF - DER MITTELALTERLICHE BESTAND
Der Binderhof bildet die nordöstliche Ecke des Heiligenkreuzerhofes. Die heute noch gebräuchliche Bezeichnung geht auf den hier ansässigen Hofbinder zurück, die ältere Bezeichnung "Ziegelhof" nimmt wohl auf das als Besonderheit geltende Ziegeldach des Baukomplexes Bezug (25). Der Ziegelhof erscheint erstmals 1342 in den Quellen (26), 1343 mit der Präzisierung, dass es sich um einen Hof des Klosters Heiligenkreuz handelt (27). 1469 wird das dem Kloster gehörige "Bindhaus" vor dem Stiftshofe, "Ziegelhof genannt" als Leibgedinge vergeben (28). Ab diesem Zeitpunkt ersetzt die Funktionsbezeichnung "Bindhaus" allmählich die ältere Benennung "Ziegelhof".Im Frühjahr 2002 konnte ein Großteil der Keller und Erdgeschossräumlichkeiten des Binderhofes noch vor der ab 2003 geplanten Nutzung als Ausstellungsräumlichkeiten bauhistorisch untersucht werden. Einige der mittelalterlichen Erdgeschossräumlichkeiten sind seit dem 18. Jahrhundert durch Stein- und Holzwände in Kellerabteile für die Hofbewohner unterteilt, die nur zum Teil in die Untersuchung mit einbezogen werden konnten (29).
Die Bezeichnungen der einzelnen Gebäudetrakte (A - F) werden im folgenden von Alois Kieslinger (30) übernommen, sie sind auf den Baualterplänen der einzelnen Geschosse jeweils verzeichnet (Abb. 443 Baualterpläne des Erdgeschosses und der beiden Kellergeschosse der Bauten im Binderhof). Eine Darstellung der Baubefunde mit genauen Beschreibungen zur Struktur des Mauerwerks und Maßangaben erscheint an anderer Stelle (31).
Der Kernbau - A
An der Ostseite des Binderhofes steht mit seiner Schmalseite zum Hof hin ein langrechteckiges Gebäude mit Außenmaßen von ca. 26x11m und einer Mauerstärke im Erdgeschoss von bis zu 1,5m. Dieses Gebäude ist der älteste Kern des mittelalterlichen Binderhofes, ein Saalbau, der nachträglich unterkellert und durch ein neuzeitliches Tonnengewölbe in zwei Geschosse unterteilt wurde.Der Saal ist durch ein dreijochiges Kreuzbandrippengewölbe überspannt. Rippen und Gurte bestehen aus Kalkstein, sind abgefast und von etwa quadratischem Querschnitt (39x43cm), tragen wiederholt ein Steinmetzzeichen in Form eines einfachen Kreuzes (32), sind aber sonst unverziert (siehe Abb. 449, A). Punktuell ist eine Abwechslung von hellen zu dunklen Steinen nachzuvollziehen. Die Gurte sind leicht spitzbogig, die Rippen halbkreisförmig, der Scheitelstein ist bereits als kreuzförmiger Schlussstein ausgebildet (Abb. 444 Gurt und abgefaste Bandrippen im Erdgeschoss von Kernbau A). Ob die Rippen und Gurte auf Konsolen oder auf Wandvorlagen ruhen, lässt sich wegen der in der Neuzeit auf halber Raumhöhe eingezogenen Ziegeltonne nicht sagen (Abb. 445) (33). Das Gewölbe wurde bis 3,6m Höhe ab Fundamentstufe gemauert, danach ist es mit der Hilfe eines Lehrgerüsts in Mörtelgusstechnik errichtet worden. Balken und Schalungsbretter (10 bis 30cm breit) sind in die Rippen und Gurten eingenutet worden und haben im Mörtel ihre Spuren hinterlassen. An den Wandseiten des Gebäudes sind die Schalungsbretter direkt in das Mauerwerk eingelassen (siehe Abb. 458). Die Nuten sind noch deutlich sichtbar, an einigen Stellen haben sich sogar noch Reste der Schalung selbst erhalten (34).
Die Mauern der Halle sind aus Bruchstein bzw. aus blockhaften, teilweise quaderförmigen Steinen in einzelnen Lagen verlegt. Das Niveau des mittelalterlichen Fußbodens liegt mit einem leichten Fundamentvorsprung bei 12,3-12,5m über Wiener Null35 oder ca. 1m unter dem heutigen Niveau des Binderhofes. Im Inneren gerundete Ecken im Fundamentbereich, sowie mit neuzeitlichem Verputz überlagerte Erde in den Stoß- und Lagefugen des Fundaments zeigen, dass der Kernbau ursprünglich nicht unterkellert war.
In der Westwand des Saales blieb südlich des bestehenden Tores der Rest einer primären Toröffnung erhalten, deren Schwelle 0,20m oberhalb der Fundamentkante liegt. Drei übereinander liegende Quader bilden die südliche Laibung eines Tores oder einer breiten Einfahrt, durch die eine Karre gezogen werden konnte (36).
Die Reste von vier Fenstern sind heute noch sichtbar. Das Ostfenster ist in beiden Teilen des heute getrennten Erdgeschossraums erhalten, unten aber vermauert und oben nach außen zu verändert (Abb. 446). Die übrigen drei Fenster liegen jeweils in der Mitte eines Joches der Nordwand. Zwei Fenster sind fragmentarisch innerhalb barocker Lichtschächte erhalten (Abb. 447), jenes im westlichen Joch ist an der ehemaligen Außenseite innerhalb des nördlichen Anbaues (B) sichtbar (siehe Abb. 450). An der Außenseite sind die 1,43m hohen und 0,23m breiten Scharten sehr schlicht, aber mit einer leichten Abfasung der Mauer eingeschnitten, Gewände und Schwelle sind aus Werkstein. Sie erweitern sich trichterförmig nach innen auf eine Höhe von 1,8m und eine Breite von 0,9-1,0m. Die inneren Gewände der Fenster bestehen aus Quadern, ihre Sturzbögen aus flachen Bruchsteinen. Der segmentbogenförmige obere Abschluss erfolgte in derselben Technik wie beim Gewölbe, die Nuten und Abdrücke des Lehrgerüsts sind noch sichtbar (37).
Die beiden östlichen Lichtschlitze in der Nordwand wurden in späterer Zeit nach außen zu verbreitert und mit einfachen Steingewänden mit eingepassten Gittern versehen. Das Gitter ist im Lichtschacht des östlichsten Joches der Nordwand noch erhalten.
Der Saal kann somit mit vier bis maximal sieben Fenstern rekonstruiert werden (38), die Gestaltung der Westwand mit dem Portal ist unsicher.
An der Nordfassade des Kernbaus nur 1,4m von der nordöstlichen Ecke entfernt befindet sich ein 1,25m langer, 0,9m breiter, abgefaster Strebepfeiler, der mit der Nordwand verzahnt und aus Quadern mit einigen Bruchsteinen erbaut ist (Abb. 448). Die ursprüngliche Höhe des heute mit Beton abgeschlossenen Pfeilers betrug mindestens 6m, so dass er ein steinernes Obergeschoss voraussetzt. Warum das Gebäude an dieser - anscheinend einzigen - Stelle einen Strebepfeiler benötigte, ist unklar. Vielleicht stützte der Pfeiler die Treppe zu einem Hocheingang (39).
Der längsrechteckige Saalbau ist eine oft belegte Form im 13. Jahrhundert, sowohl im klösterlichen und kirchlichen, als auch im adeligen Bereich (40). Ein wichtiges Vergleichsbeispiel in Wiener Nähe ist der Kernbau eines anderen geistlichen Hofs, des 1995/96 ergrabenen Passauer Lesehofs in Klosterneuburg. Dieses zweigeschossige Gebäude, das in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert wird, ist in seinen Ausmaßen dem Saalbau A sehr ähnlich und ebenfalls in drei Joche unterteilt (41). Ein weiterer Saalbau mit zwei Geschossen aus dem 13. Jahrhundert, der gleichfalls den Passauer Bischöfen gehörte, ist der so genannte "Passauer Kasten" in Ybbs an der Donau (42). Auf dem Propsteiberg in Zwettl besteht ein etwas größerer Saalbau als Teil eines Pfarrhofes und datiert in das 13. Jahrhundert nach 1231 (43).
Bandrippen ihrerseits sind für die Spätromanik charakteristisch und gerade in der Zisterzienserarchitektur sehr gut belegt (44). Die abgefasten Rippen im Heiligenkreuzerhof (Abb. 449, A) stehen innerhalb einer Entwicklungsreihe, die mit massiven Bandrippen beginnt, sich von abgefasten zu gekehlten Rippen fortsetzt und letztlich zum Rundstab der Frühgotik führt (45). Selbstverständlich überlappen die Typen zeitlich, wohl auch im Zusammenhang mit Bedeutung und Nutzungsart des in Frage kommenden Raumes.
Abgefaste Bandrippen kommen im Stift Heiligenkreuz nicht vor, dafür im Cellarium des Zisterzienserstiftes Lilienfeld (frühes 13. Jahrhundert), in dem gekreuzte Bandrippen, ohne besonders ausgebildete Schlusssteine, von spitzbogigen Gurten begleitet sind (Abb. 449, E). Diese Rippen und Gurte sind wesentlich zarter als im Heiligenkreuzerhof, 21x24cm, was auch darauf zurückzuführen ist, dass das Cellarium, obwohl nur wenig größer als der Bau in Wien, zweischiffig ist (46). Sehr ähnliche und etwa gleich große Rippen als jene in Lilienfeld sind im Bauschutt der ersten Bauphase der Zisterzienserkirche Marienberg, Burgenland, ausgegraben worden. Sie datieren in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts (Abb. 449, F) (47). Im Bergfried der Burg Pottenburg bei Hainburg finden sich ebenfalls abgefaste Bandrippen, die an Hand des Mauerwerks in die Mitte bzw. das dritte Viertel des 13. Jahrhunderts gestellt werden können (Abb. 449, D) (48). Die Gewölberippen im Palas der Burg Starhemberg (vor 1245) sind jenen von Bau A im Heiligenkreuzerhof von Aussehen und Größe her noch ähnlicher, wenn auch etwas zierlicher. Ihre Vorderfläche ist 16cm breit, bei einer Gesamtbreite von 32cm (Abb. 449, C) (49). Diese Analogien weisen auf eine Datierung der Rippen im Kernbau des Binderhofs in das frühe oder mittlere 13. Jahrhundert.
Zwei Formate von abgefasten Bandrippen kommen auch in der Virgilkapelle unter dem Stephansplatz vor. Rund 40cm breite (50), sehr flache Rippen werden der ersten Bauphase zugeordnet (Abb. 449, B) (51), die noch vor die Mitte des 13. Jahrhunderts gestellt wird. Schlanke, aber im Schnitt quadratische Rippen hingegen werden einer späteren Phase des späten 13. oder gar des frühen 14. Jahrhunderts, zugeordnet (Abb. 449, G) (52), ein Datierungsansatz, der angesichts der oben angeführten Analogien problematisch ist und in einem kürzlich veröffentlichten Aufsatz nun revidiert worden ist (53).
Eine präzisere Datierung des Kernbaus kann mangels schriftlicher Quellen lediglich durch die Mauerwerksanalyse erfolgen. Bruchsteinmauerwerk in streng eingehaltenen einzelnen Lagen ist im Wiener Raum charakteristisch für das frühere 13. Jahrhundert und so ist auch der Kernbau im Binderhof zu datieren (54).
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